130 Minuten „Diskussion“ auf X
Der Kandidat und sein Stichwortgeber
Donald Trump, ehemaliger Präsident der USA und aktueller Präsidentschaftskandidat der Republikaner, und Tech-Milliardär Elon Musk (Archivbilder)
Quelle: Matt Rourke/Jos' Luis Villegas/A
Das gehypte Gespräch der Milliardäre Donald Trump und Elon Musk auf der Plattform X begann mit massiven technischen Problemen – und litt dann unter kompletter Distanzlosigkeit. Der Republikaner machte sich über die Klimakrise lustig. Der Unternehmer bettelte um einen Posten.
Washington. Am Ende, nach drei quälend langen Stunden, waren zumindest zwei Männer zufrieden. „Ich möchte Ihnen gratulieren. Es ist beeindruckend, was Sie geschafft haben“, lobte Donald Trump seinen Gastgeber Elon Musk. Und auch der zweitreichste Mann der Welt war von dem Verlauf des Abends schwer beeindruckt: „Mit Ihnen kann man so ein Gespräch führen. Man könnte es nicht mit Kamala Harris oder Joe Biden führen.“
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Da hatte der Eigentümer der Twitter-Nachfolgeplattform X wahrscheinlich recht. Ob das aber gegen die beiden Demokraten-Politiker spricht, ist nach Musks bizarrer Konversation mit dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten höchst fraglich. Das von den beiden Teilnehmern zuvor gewaltig gehypte Ereignis am amerikanischen Montagabend beim Audiodienst X Spaces dürfte weniger wegen irgendwelcher inhaltlicher Erkenntnisse als wegen massiver technischer Pannen, einer peinlich-unterwürfigen Gesprächsführung, unzähliger Ausfälle des Gastes und schwer ermüdender Wiederholungen in Erinnerung bleiben.
Eine geschlagene Dreiviertelstunde lang mussten die Zuhörer zunächst nervige Aufzugmusik ertragen, bevor sich Musk endlich zu Wort meldete. Tausende versuchten derweil vergeblich, der Diskussion beizutreten. Ihnen wurde nur eine Fehlermeldung angezeigt. Der X-Chef, der vor einem Jahr bei der Präsentation des damaligen Präsidentschaftskandidaten Ron DeSantis ein ähnliches Desaster erlebt hatte, machte dafür eilig eine angebliche Cyberattacke verantwortlich.
Stichwortgeber statt kritischer Interviewer
Als die technischen Probleme endlich gelöst waren, schalteten sich rund eine Million Zuhörer und Zuhörerinnen zu. Das ist rund ein Drittel der abendlichen Zuschauerzahl beim rechten Sender Fox News und weit von einem Rekord entfernt. Rasch wurde klar, dass Musk, der sich zu einem ultrarechten Aktivisten gewandelt hat und immer aggressiver alarmistische Botschaften und Verschwörungsmythen verbreitet, kein kritischer Interviewer, sondern bestenfalls ein Stichwortgeber des Ex-Präsidenten sein wollte. Selbst diese Rolle überforderte jedoch erkennbar sein rhetorisches Vermögen, das sich in stammelnden Ausführungen, unkritischen Akklamationen („Sure“, „Yeah“) und einem unmotiviert giggelnden Lachen ausdrückte.
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Der republikanische Präsidentschaftsbewerber und frühere US-Präsident Donald Trump wird von Agenten des US-Geheimdienstes Secret Service umringt, als ihm Mitte Juli nach einem Attentat bei einer Wahlkampfveranstaltung von der Bühne geholfen wird.
Quelle: Gene J. Puskar/AP/dpa
Musk war erkennbar mächtig stolz, den republikanischen Präsidentschaftskandidaten auf seiner Plattform zu haben. Und Trump zögerte keine Minute, das größte Megafon der Welt für seine Zwecke zu nutzen. Gleich zu Beginn eröffnete ihm Musk die Möglichkeit, über den Attentatsversuch zu reden. Und obwohl der 78-Jährige vor gerade mal drei Wochen beim republikanischen Parteitag erklärt hatte, er werde den Vorfall nur einmal schildern und dann nie wieder, „weil es zu schmerzhaft ist“, breitete er nun eine halbe Stunde lang alle Details seines heroischen Momentes und des „Wunders“ aus, das ihm das Leben rettete. Wie ein Messdiener schwenkte Musk dabei das verbale Weihrauchfass und versicherte: „Viele Menschen bewundern ihren Mut.“
Vom Elon Musk zum Evil Musk: Die bizarre Wandlung eines Vordenkers
Elon Musk galt einmal als eine Art Genie mit Hang zum Wahnsinn. Doch spätestens seit dem Kauf der Plattform Twitter manövriert sich der Milliardär mit immer groteskeren Aktionen ins Abseits. Wird ihm dieses Verhalten nun endgültig zum Verhängnis? Oder ist seine Macht längst viel zu groß?
Dann folgte inhaltlich eine übliche Trump-Kundgebung zu Inflation, Migration und der angeblichen eigenen politischen Verfolgung durch die Justiz für einen besonderen Zuhörer. Ohne von Musk hinterfragt oder gar zurechtgewiesen zu werden, konnte der Politiker Migranten pauschal als „entlaufene Häftlinge“, „Terroristen“ und „Vergewaltiger“ verunglimpfen. Er schwadronierte, die Ukraine sei „Putins Augapfel“, und attestierte den Diktatoren dieser Welt, sie seien „in Bestform“. Über die Klimakrise machte er sich mit der Bemerkung lustig, durch den Anstieg des Meeresspiegels werde es bald mehr Küstengrundstücke geben. Unwidersprochen verbreitete er auch seine Lüge vom Wahlbetrug und behauptete, er werde von der Staatsanwaltschaft verfolgt, weil er eine Manipulation der Abstimmung habe verhindern wollen.
Trumps Stimme sorgt für neue Gerüchte über seine Gesundheit
Auffällig war freilich Trumps seltsame Stimme, die klang, als habe er vergessen, sein Gebiss einzusetzen. Immer wieder verwischte er „sch“-Laute, und aus „San Francisco“ wurde „Than Franthisco“. Schnell verbreiteten sich im Netz Gerüchte über einen gesundheitlichen Hintergrund. Doch könnte auch ein defektes Mikrofon für die penetrante Zisch-Störung verantwortlich sein.
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Wenig glücklich dürften Trumps Berater auch mit dessen wiederholten persönlichen Ausfällen gegen die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris und den scheidenden Präsidenten Joe Biden sein, den er offenbar nicht aus dem Kopf bekommt. Republikanische Wahlstrategen haben erhoben, dass Trumps Beleidigungen vor allem unentschlossene Wähler abstoßen und den 78-Jährigen eindringlich ermahnt, auf Sachthemen zu setzen. Stattdessen karikierte er Biden als inkompetenten, senilen Greis und nannte Harris eine „linksradikale Verrückte“. „Es ist, als ob wir keinen Präsidenten hätten“, stimmte Musk in die Suada ein. „Wir haben keinen Präsidenten, und sie ist noch schlimmer“, polterte Trump.
Musk erhofft sich Deregulierung für Space X und Tesla
Erst am späteren Abend konnte man erahnen, welche Interessen den Unternehmer bei seiner Unterstützung für Trump leiten. Nicht nur hofft er bei dessen Wahlsieg auf neue Aufträge für sein Raketen-Unternehmen Space X und die Satelittenfirma Starlink. Auch behördliche Untersuchungen wegen der Belästigung von Mitarbeitenden bei Space X dürften wohl eingestellt werden. Vor allem aber erwartet Musk regulatorische Erleichterungen für das autonome Fahren seiner Tesla-Autos.
Einige Male versuchte er in dem Gespräch auffällig, Trump einen Gedanken nahezubringen. Das Land brauche unbedingt eine Kommission zur Effizienzsteigerung der Regierung, wiederholte er mehrfach: „Und ich würde da gern mitarbeiten.“ „Das gefällt mir. Sie sind ein interessanter Charakter“, erwiderte Trump, um dann gleich zum nächsten Thema zu wechseln. Ähnlich auffällig plädierte Musk für eine Haushaltssanierung und Deregulierung. Trump zeigte sich daran freilich ähnlich desinteressiert wie an einer sanften Mahnung, dass der Kohlendioxid-Verbrauch nicht endlos fortgesetzt werden könne. „Ich warte darauf, dass Sie Solar-Panel auf die Dächer Ihrer Autos montieren“, alberte Trump herum.
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Der Zweisamkeit der beiden Männer, die über ähnlich großes Selbstbewusstsein, PR-Gier und Vorliebe für kontrafaktische Erzählungen verfügen, tat dies keinen Abbruch. „Es ist wichtig für das Land, dass Sie die Wahl gewinnen“, verabschiedete Musk seinen Gast. Und Trump fantasierte über eine gigantische Zuhörerschaft von „60 bis 70 Millionen Menschen“ bei seiner Konversation. Dummerweise zeigt die X-App die Zahl der Zugeschalteten genau an: Es waren 1,1 Millionen.